Mit der Kamera an der Seite von Fidel Castro, Street Photography in Havanna und weitere Geschichten aus Kuba

Roberto Chile und eines seiner ikonischen Bilder von Kubas früheren Staatschefs Fidel Castro. © Thomas B. Jones

Der GATE7-Podcast meldet sich aus der kreativen Pause zurück. Das Thema dieser Episode: Kuba. Besonders freue ich mich, Thomas B. Jones als Co-Moderator an meiner Seite zu haben.

Gemeinsam haben wir Anfang 2023 einen Monat in Havanna verbracht. Viele Geschichten haben wir noch nicht richtig erzählt. Das holen wir jetzt nach. Wir blicken zurück auf eine ereignisreiche Reise und beleuchten die aktuellen Entwicklungen im Land. Freue dich auf unsere persönlichen Einblicke in Kuba, ein Land, das uns sowohl fotografisch als auch kulturell fasziniert hat und weiter beschäftigen wird.

Ein besonderes Highlight dieser Folge sind unsere Begegnungen mit zwei bemerkenswerten Fotografen: Roberto Chile, einem renommierten Fotojournalisten, und Nando, einem talentierten jungen Fotografen.

Roberto, der Fidel Castro mehr als drei Jahrzehnte lang begleitete, erzählt von seinen Erfahrungen und gibt Einblicke in die Welt der kubanischen Fotografie, die weit über die reine Dokumentation hinausgeht. Wir sprechen über die Bedeutung des „Warum“ in der Fotografie und die Notwendigkeit, sowohl technisch versiert als auch künstlerisch ausdrucksstark zu sein.

Im Kontrast dazu steht Nando, der seine ersten Schritte in der Konzertfotografie machte und von seiner persönlichen Reise zur Fotografie berichtet. Er beschreibt die Herausforderungen, denen sich junge Fotografen heutzutage in Kuba stellen müssen, und wie er trotz wirtschaftlicher Widrigkeiten kreativ bleibt und seine visuelle Sprache stetig weiterentwickelt.

Beide Interviews zeichnen ein Bild der lebendigen fotografischen Szene Kubas.

Außerdem sprechen wir über unsere Projekte der letzten Monate und unsere Weiterentwicklung im Bereich der Fotografie, speziell der Street Photography. Anhand von einigen Bildern, die wir auf den Straßen Havannas gemacht haben, nehmen wir dich mit in unsere Gedankenprozesse und erzählen die Geschichten hinter dem Foto.

Marco Larousse, Streetfotograf aus Hamburg und Mitgründer des “German Street Photography Festivals” berichtet von einem Pop-Up-Festival, das er in Kooperation mit der laif-Foundation auf die Beine gestellt hat.

Unter dem Motto „Zeigen was ist“ thematisiert das Festival die Kraft der Fotografie, ihre Fähigkeit zu dokumentieren, zu inspirieren und den Blick für die Realität zu schärfen – gerade in Zeiten von Desinformation, Deepfakes und KI. Vom 21. bis 31. November öffnet das Festival im Jupiter-Gebäude am Beginn der Mönckebergstraße direkt gegenüber des Hamburger Hauptbahnhofs auf 1.400 qm seine Türen für Ausstellungen, Vorträge, Screenings und interaktive Aktionen.

Es bietet Raum für Begegnungen und den Austausch zwischen Dokumentarfotografen, Content Creators, Street Fotografen, Profis, Amateuren und allen Fotobegeisterten.

Neue Workshops 2025

Zum Abschluss werfen Thomas und ich einen Blick auf kommende Projekte und geplante Workshops.

Der Kalender für 2025 ist schon gut gefüllt, wenn du mit uns auf Reisen gehen möchtest, um an deiner Fotografie zu arbeiten.

Neben unseren Street-Photography-Workshops in Kooperation mit Calumet sind neue Ziele hinzugekommen.

Helsinki und Lissabon sind weiterhin im Programm.

Darüberhinaus bieten wir unsere 5-tägigen Erlebnisworkshops nun auch in Südfrankreich, Wien, Prag und Porto an.

Interview mit Marco Larousse

Marco Larousse, hier beim “German Street Photography Festival” auf der PHOTOPIA 2023, ist Initiator des Pop-Up-Festivals “Zeigen was ist”. © Kai Behrmann

Da die PHOTOPIA dieses Jahr in Hamburg ausfällt, hat Marco Larousse in Kooperation mit der laif-Foundation an einer Alternative gearbeitet, um der Fotografie in Hamburg und darüber hinaus eine Bühne zu bieten.

Die Idee des Pop-Up-Festivals ist es, spontan einen Ort zu gestalten, an dem Fotografie über einen Zeitraum von zehn Tagen gefeiert werden kann.

Die Veranstaltung findet vom 21. bis 30. November 2024 im Jupiter Kulturkaufhaus, dem ehemaligen Karstadt Sport und Spiel an der Mönckebergstraße 2-4, statt.

Diese Location, direkt gegenüber dem Hauptbahnhof, bietet 1400 Quadratmeter Ausstellungsfläche – eine seltene Chance für Dokumentarfotografie und Fotojournalismus.

Das Festival steht unter dem Motto „Zeigen, was ist“ und widmet sich authentischer Fotografie mit einer Vielzahl von Programmpunkten:

  • Fotoausstellung: 20 Fotografen präsentieren Arbeiten zu den Themen Klimawandel, gesellschaftlicher Zusammenhalt und Chancengleichheit. Viele der Teilnehmenden stammen aus dem laif-Umfeld, es sind jedoch auch externe Fotografen vertreten. Eine besondere Ausstellung ist die Langzeitserie „Tropical Ice“ von Barbara Dombrowski, die den Klimawandel in besonders betroffenen Regionen dokumentiert.

  • Junge Talente: Die Ausstellung „Jugend fotografiert Deutschland“ bietet Einblicke in die Sichtweisen der jungen Generation und zeigt eindrucksvoll, wie diese aktuelle Themen und alltägliche Herausforderungen wahrnimmt.

  • Fotoslams und Vorträge: Geplant sind zwei Fotoslams an den Samstagen (23. und 30. November), moderiert von Marco Larousse, Siegfried Hansen und möglicherweise Martin U Waltz aus Berlin. Dabei werden anonym eingesendete Fotos humorvoll und unterhaltsam auf der Bühne besprochen – eine Mischung aus Poetry-Slam und Stand-up-Comedy.

  • Fotorallye: Über den Zeitraum von zehn Tagen können Teilnehmende Fotos von Orten in Hamburg einreichen, die besser genutzt werden könnten. Ziel ist es, spannende und dokumentarische Einblicke zu schaffen.

  • Netzwerken und Austausch: Neben den Ausstellungen und Programmpunkten gibt es zahlreiche Möglichkeiten zum Austausch. Sitzgelegenheiten und Bereiche zum Treffen und Vernetzen werden eingerichtet – wie bei früheren Festivals ein zentraler Aspekt.

Die Vernissage findet am Donnerstag, den 21. November, um 19 Uhr statt.

Zusätzlich sei auf den Wettbewerb „Jugend fotografiert“ hingewiesen, dessen Einreichungsfrist bis zum 30. März 2025 verlängert wurde.

Interview mit Roberto Chile

Auf seiner Terasse nahm sich Roberto Chile Zeit, ausführlich über seine bewegte Karriere als Dokumentarfilmer und Fotograf für Fidel Castro zu sprechen. © Thomas B. Jones

Ich bin weit davon entfernt, mich als Meister zu bezeichnen. Ich sehe mich vielmehr als einen ewig Lernenden. (...) Unser Streben ist wie das Zirpen eines Grashüpfers im Wald – ob wir verstummen oder weitermachen, der Wald bleibt derselbe. Und dennoch möchten wir „singen“ und unseren kleinen Beitrag leisten zum Chor der Stimmen, die diesen Wald mit Leben füllen.
— Roberto Chile

Roberto Chile, ein bekannter kubanischer Fotograf und Filmemacher, empfing uns in seinem Haus in einem ruhigen Wohnviertel von Havanna.

Chile, der über 30 Jahre lang den kubanischen Revolutionsführer Fidel Castro auf seinen Reisen begleitete, erzählte uns von seinem Weg zur Fotografie und zum Film, der zunächst gar nicht geplant war.

Ursprünglich wollte Chile Ingenieur werden und hatte einen Abschluss in Nachrichtentechnik.

Ein Schiffsbaustudium in Polen brach er ab, um nach Kuba zurückzukehren, wo er sich an einer Berufsschule für Elektronik einschrieb.

Sein Interesse an der Fotografie erwachte, als er begann, seine Tochter zu fotografieren, wobei er von Anfang an kreative Perspektiven und besondere Lichtverhältnisse suchte.

Später entdeckte er seine Leidenschaft für das bewegte Bild und beschloss, seinen technischen Beruf hinter sich zu lassen und Filmemacher zu werden.

Er schloss sich anderen Filmemachern an und bildete sich autodidaktisch weiter, bis er schließlich Teil eines Teams wurde, das Castro auf seinen Reisen begleitete.

Diese Aufgabe erforderte Hingabe und Mut, denn sie bedeutete, jederzeit bereit zu sein, alle Pläne für spontane Einsätze aufzugeben.

In dieser Zeit lernte Chile nicht nur Castro, sondern auch sein eigenes Volk und dessen Schicksal intensiv kennen. Seine Reisen mit Castro, die ihn in über 30 Länder führten, beinhalteten Momente der Freude, aber auch der tiefen Trauer, etwa bei Besuchen in Katastrophengebieten.

Seine Dokumentarfilme gingen über die politische Begleitung hinaus: Er porträtierte auch kubanische Künstler und andere bedeutende Persönlichkeiten. Diese Arbeit half ihm, einen unverwechselbaren Stil zu entwickeln.

Chile betonte die Bedeutung eines starken „Warum“ und die Suche nach einer künstlerischen Stimme, die über die bloße Beherrschung technischer Aspekte hinausgeht. Zu den wichtigsten Einflüssen gehörte der berühmte Fotograf Alberto Korda, von dem Chile lernte, dass das Wesentliche mit dem Wesentlichen zu tun hat.

Chile machte deutlich, dass Mut und das Streben nach künstlerischer Authentizität entscheidend für den Erfolg als Fotograf oder Filmemacher sind. Ihm sei es immer darum gegangen, Emotionen einzufangen und mit seinen Bildern mehr als nur eine Momentaufnahme zu vermitteln - sei es Freude, Trauer oder Zweifel. Die Fotografie war für ihn ein Mittel, poetische Bilder zu schaffen, die die Phantasie des Betrachters anregen.

Trotz zahlreicher Auszeichnungen, darunter der Nationale Journalistenpreis, verstand er sich nicht nur als Journalist, sondern auch als Künstler, der die Grenzen zwischen Kunst und Reportage verwischte.

Diese Haltung zog sich durch seine gesamte Karriere, in der er stets versuchte, seine eigene Vision in den Vordergrund zu stellen und sich nicht von fremden Einflüssen dominieren zu lassen.

Meine Fotografien sind nicht so grafisch und beschreibend. Vielmehr bemühe ich mich, sicherzustellen, dass jedes Foto in ein Gedicht zusammengefasst werden kann. Ein Foto allein kann keine Geschichte erzählen, aber es kann eine Emotion vermitteln – sei es Schmerz, Freude, Traurigkeit, Zweifel oder Gelassenheit. (...) Obwohl ich den Nationalen Journalistenpreis gewonnen habe und viele Menschen mich für einen Journalisten halten, versuche ich, Journalismus mit Kunst zu verbinden.
— Roberto Chile

Bilder von Roberto Chile

Dokumentarfilme von Roberto Chile

Interview mit Nando

Nando bei der Arbeit mit einem Model in seinem Studio in Havanna. © Thomas B. Jones

Als ich klein war, habe ich nicht manuell fotografiert. Die Kamera war im Automatik-Modus. Was ich aus dieser Zeit wirklich in Erinnerung habe, ist, dass ich es wie ein Spiel betrachtete. Ich spielte mit der Kamera und bewegte mich viel. Ich suchte nach verschiedenen Perspektiven und konnte nicht mehr tun. Die Kamera übernahm alles. Das Einzige, was in meinen Händen lag, war es, einen ansprechenden Winkel zu finden.
— Nando

Nando, ein aufstrebender Fotograf Anfang 20 aus Havanna, beeindruckt durch seine Leidenschaft und Kreativität.

Sein Interesse an der Fotografie wurde durch seinen Vater, einen Fotografen, geweckt, der ihm nicht nur technisches Wissen, sondern auch wichtige Lebensweisheiten vermittelte.

Nach dem Tod seines Vaters im Alter von 17 Jahren übernahm Nando dessen Kameraausrüstung und richtete sich in der Wohnung, die er mit seiner Mutter teilt, sein eigenes Studio ein.

Die Fotografie half ihm, den Verlust zu verarbeiten und wurde zu einem zentralen Bestandteil seines Lebens.

Ein prägendes Werk in seiner künstlerischen Entwicklung war das Buch "El Loco" (“Der Verrückte”) von Khalil Gibran, das ihn im Alter von 15 Jahren inspirierte. Es hinterließ bei ihm viele Fragen und den Drang, diese mit künstlerischen Mitteln zu erforschen.

Das Buch legte den Grundstein für seine künstlerische Philosophie und führte zu seiner ersten bedeutenden Studiofotografie mit demselben Titel.

Nando beschreibt, wie er als Kind die Fotografie spielerisch erlernte, indem er mit der Kamera im Automatikmodus arbeitete und experimentell nach einzigartigen Perspektiven suchte. Diese Herangehensweise beeinflusst auch heute noch seine Konzertfotografie, bei der er ungewöhnliche Blickwinkel einfängt und die Spontaneität des Moments betont.

Obwohl die Fotografie sein Leben bestimmt, sieht Nando sie nicht als Selbstzweck, sondern als Sprungbrett für eine Karriere beim Film.

Ein Workshop in audiovisueller Produktion hat sein Interesse an der Filmkunst geweckt, die es ihm ermöglicht, sich als Künstler umfassender auszudrücken.

Sein langfristiges Ziel ist es, Regisseur oder Kameramann zu werden.

Nando spricht auch über die Herausforderungen, mit denen junge Künstler in Kuba konfrontiert sind.

Die wirtschaftliche Situation erschwert es, sich professionell weiterzuentwickeln, da Materialien wie Kameras und Druckpapier knapp und teuer sind.

Viele Fotografen müssen sich mit minimalen Honoraren begnügen oder auf Tauschgeschäfte zurückgreifen, um ihre Projekte zu realisieren.

Doch die Liebe zur Kunst bleibt, und der kreative Austausch untereinander hilft, trotz widriger Umstände voranzukommen.

Um finanziell überleben zu können, hat Nando sein Portfolio erweitert. Neben Konzert- und Modefotografie fotografiert er Quinceañeras, ein traditionelles Fest, bei dem 15-jährige Mädchen in die Gesellschaft eingeführt werden. Diese Tradition geht auf die Kolonialzeit zurück und hat sich trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten erhalten, wenn auch in veränderter Form.

Gegenwärtig verfolgt Nando in seiner Arbeit einen modernen Ansatz, indem er sich der digitalen Fotografie und einer minimalistischen, zeitgenössischen Ästhetik zuwendet. Trotz der schwierigen Bedingungen bleibt er optimistisch und strebt danach, sich künstlerisch weiterzuentwickeln und seine Visionen zu verwirklichen.

Ich arbeite am liebsten aus der Spontaneität heraus, sowohl technisch als auch kreativ. Zu viel Nachdenken mag ich nicht. Ich möchte, dass das Wissen fließt, solange ich es zuvor erlangt habe. Wenn es darum geht, ein Foto zu machen, wünsche ich mir, dass dieser Fluss auch dort vorhanden ist. Es sollte nicht zu intellektuell wirken, sondern vielmehr eine Manifestation von Kunst, Spiritualität, Ideen und Konzepten sein.
— Nando

Weitere Themen und Links

Thomas: “Die Geschichte hinter dem Bild”

  • Thomas B. Jones: “Ich erinnere mich noch ganz genau, wie dieses Bild entstanden ist. Es war ein extrem heißer Tag – 37 Grad unter der sengenden kubanischen Sonne – und ein langer Tag obendrein. Wir hatten schon unzählige Schritte hinter uns, vielleicht 20.000 oder mehr, und waren bereits mehrfach falsch abgebogen, bevor wir schließlich zu einer alten, verfallenen Bauruine gelangten. Ich bin mir nicht sicher, ob es einmal ein Hotel war, aber das ist wahrscheinlich. Heute ist es jedenfalls verlassen, wobei einige Zimmer noch immer von Familien bewohnt werden – unter Bedingungen, die weit entfernt von jeglichen Sicherheitsstandards sind.

    Die Rückseite des Gebäudes hatte uns zuvor nur wenig Inspiration geboten: ein paar Jugendliche lungerten herum, eine Szene, wie ich sie auch in Stuttgart hätte antreffen können – nur ohne das Meer im Hintergrund. Doch als wir uns an der Vorderseite des Gebäudes entlangbewegten, sah ich aus dem Augenwinkel eine Gruppe von Jungs im ersten Stock. Zuvor hatten sie sich aus dem zweiten Stock hinab an einer Stange abgeseilt, um eine Etage tiefer zu gelangen. Die Szenerie war faszinierend und wirkte zugleich gefährlich.

    Ich wusste, dass ich schnell reagieren musste, um den Moment festzuhalten. Plötzlich hingen sie da, einer nach dem anderen, und einer der Jungen, der offensichtlich der Anführer war – ein furchtloser Teufel mit einer Maske – bereitete sich darauf vor, sich aus dem ersten Stock nach ganz unten zu hangeln. Ich begann, eine Serie von etwa 10 bis 15 Aufnahmen zu machen, immer mit dem Ziel, den perfekten Moment zu erwischen. Und da war er: Er sah mich direkt an, während die anderen noch völlig in der Szene vertieft waren. Der Blickkontakt war entscheidend. Dieser Moment, in dem er die Kamera bemerkte und mich ansah, machte das Bild besonders lebendig und persönlich.

    Es war ein magischer Moment, einer dieser Schüsse, die in der Street Photography so wichtig sind – ein Moment, in dem meine Anwesenheit die Szene noch nicht verändert hatte, aber genau das richtige Quäntchen Einfluss ausübte. Kurz darauf war die Stimmung anders; die Jungen hatten mich bemerkt und der spontane Zauber verflog. Das Bild, das ich eingefangen hatte, war der letzte Augenblick, bevor meine Präsenz die Dynamik veränderte.

    Ich denke, die Szene zeigt, wie Ruinen in Havanna zu Abenteuerspielplätzen für Kinder werden. Es ist ein Bild, das Leben und Verfall kombiniert, ein Zeugnis der Resilienz und des Mutes der Menschen, die dort leben. Auch wenn viele Eltern bei diesem Anblick wohl besorgt den Kopf schütteln würden, konnte ich nicht anders, als den Augenblick zu bewundern. Der Ausdruck auf den Gesichtern der Jungen – der Stolz und das Abenteuer – war ein Echo meiner eigenen Jugend, in der solche „Dummheiten“ dazugehörten.

    Die kubanischen Kinder wissen genau, was sie tun. Trotz der scheinbaren Gefahr haben sie eine innere Stärke und Gewitztheit, die beeindruckend ist. Das Bild ist ein Zeugnis dieser Momente – ein Blick in eine Welt, die für einige fremd, für andere ein Stück alltäglicher Magie ist. Und für mich war es ein Beweis dafür, dass man manchmal wirklich Strapazen auf sich nehmen muss, um den entscheidenden Moment einzufangen. Genau dieser Moment war es: der letzte, bevor die Welt um uns herum sich wieder in Bewegung setzte.”

  • Thomas B. Jones: “Von den Fahrradtaxen und den belebten Hauptstraßen hinüber in die kleinen Nebenstraßen von Alt-Havanna.

    Hier entstand mein Bild. Ich habe diesen Moment eingefangen, in dem das geschäftige Treiben am späten Nachmittag spürbar war. Das Licht begann zu brechen, und es bildeten sich die charakteristischen Lichttaschen, die sich perfekt für Straßenszenen eignen. Die Straße lebte, Händler boten ihr Obst und Gemüse an, und es lag eine besondere Atmosphäre in der Luft, als die Menschen auf dem Heimweg waren.

    Im linken Bildrand ist ein Marktstand zu erkennen, teils abgeschnitten, auf dem kleine Bananen gestapelt sind. Vielleicht sind es auch Tomaten oder Guaven – es ist schwer zu sagen, aber die Szene lebt von diesen Details. Der Blickfang ist jedoch der ältere Kubaner im Vordergrund. Er trägt eine tief ins Gesicht gezogene rote Baseballmütze, die seine Augen im Schatten lässt. Nur seine markante Nase und der breite Mund sind gut sichtbar. Sein Gesicht, gezeichnet von Falten, erzählt von einem langen Leben voller Geschichten. Die grauen Koteletten und die fast zu Ende gerauchte Zigarre machen ihn zu einem typischen Vertreter der alten kubanischen Generation. Für mich wirkt er fast wie eine Karikatur des kubanischen Großvaters – ein Archetyp, der Erinnerungen wachruft.

    Die Baseballmütze trägt das Symbol eines Weißkopfseeadlers, ein Zeichen, das mich fasziniert, denn Baseball ist nicht nur eine Leidenschaft in Kuba, sondern das Symbol erinnert auch an die Einflüsse der Amerikaner. Dieses Element auf einer roten Mütze, die so typisch kubanisch ist, bietet einen spannenden Kontrast.

    Die Straßenszene zeigt auch die Alltäglichkeit und die Gegensätze. Links der Markt mit frischen Produkten, während an der nächsten Ecke bereits die Müllcontainer stehen. Diese Mischung von Ordnung und Chaos ist typisch für das Bild von Alt-Havanna. Und je weiter man schaut, desto mehr erkennt man die Spuren des Verfalls an den Gebäuden – die brüchigen Balkone, die wir scherzhaft als „Todesursache Nummer eins für Touristen“ bezeichnen, so instabil, dass man durch sie hindurchsehen kann. Diese Elemente tragen zum Charakter und zur Geschichte der Stadt bei.

    Der Fokus des Bildes liegt auf dem alten Mann und der Flucht hinter ihm. Entgegen den Regeln, die ich als Fotograf gelernt habe, habe ich bewusst auf führende Linien verzichtet. Ich wollte zeigen, woher er kommt, den Weg, den er bereits zurückgelegt hat, die Menschen, die er gesehen hat, die Gespräche, die er geführt haben mag. In Havanna, wie wahrscheinlich in ganz Kuba, spielt sich das Leben auf der Straße ab. Dieser Mann, in gemächlichem Tempo unterwegs, verkörpert genau das.

    Ein weiteres Detail, das die Bildkomposition bereichert, ist die Farbe Rot, die sich durch die gesamte Szenerie zieht. Sie beginnt vorne beim Obststand, setzt sich fort mit der Mütze des Mannes und zieht sich über die Straße mit weiteren kleinen Farbtupfern bis hin zu einem roten Auto im Hintergrund. Diese Rottöne verbinden die Elemente wie eine unsichtbare Linie und geben dem Bild eine harmonische Struktur.

    Die Farben Havannas sind intensiv und allgegenwärtig, was die Straßen zu einer perfekten Kulisse macht. Es geht darum, die richtige Perspektive zu finden, um diese Farbspiele festzuhalten. Als ich den Mann mit der roten Mütze entdeckte, wusste ich, dass dies ein Schlüsselmoment war. Der rote Farbton aktivierte diesen „Fotografen-Autopilot“ in mir, und ab diesem Moment reagierte ich nur noch intuitiv. Ich bemerkte später, wie sich die Elemente zusammenfügten – wie eine Kette aus Perlen. Diesen Moment festzuhalten, war ein Glücksfall, der das lebendige und vielschichtige Bild Alt-Havannas perfekt einfing.”

  • Thomas B. Jones: “Ich erinnere mich noch genau an den Moment, als ich dieses Bild gemacht habe. Es war ein langer Tag voller Eindrücke in Havanna, und wir waren eigentlich schon auf dem Heimweg. Die Sonne stand tief und tauchte die Straße in dieses magische Abendlicht, das die Schatten in die Länge zog und die Motive in ein spektakuläres Rimlight hüllte. Havanna war in dieser Lichtstimmung ein wahres Paradies für Fotografen, voller kleiner Szenen, die Geschichten erzählen. Aber an diesem Punkt hatte ich meine Erwartungen an den Tag schon zurückgeschraubt – die große Jagd nach Motiven schien vorbei zu sein.

    Die Straße war typisch für Havanna: Oldtimer parkten am Rand, bunte Fassaden, die schon bessere Tage gesehen hatten und vom Verfall gezeichnet waren, und Menschen, die gemächlich durch die Szene schlenderten. Es war alles andere als außergewöhnlich, als ein Mann mit einer großen Plastiktüte auf uns zukam. Dass jemand etwas durch die Straße trägt, war ein gewöhnliches Bild, insbesondere in Havanna, wo vieles zu Fuß transportiert wird. Aber was mich sofort faszinierte, war das Licht: Die Tüte reflektierte die tief stehende Sonne und glänzte fast, als wäre sie selbst eine Lichtquelle.

    Ohne viel zu überlegen, hob ich meine Kamera, wie sie gerade eingestellt war. Ich machte zwei schnelle Aufnahmen, „Bumm, bumm“, ohne genau zu wissen, was ich da einfing. Auf dem ersten Bild war nur die erleuchtete Plastiktüte zu sehen, die fast überbelichtet erschien. Doch auf dem zweiten Bild passierte etwas Magisches: Der Mann hob die Tüte, und plötzlich kam der Inhalt zum Vorschein – ein Poster von Che Guevara, dieses ikonische Bild, das jeder kennt. Der Ausdruck des Mannes und Che Guevaras Blick trafen sich genau in diesem Moment.

    Als ich mir das Bild auf dem Display meiner Kamera ansah, wusste ich sofort, dass es etwas Besonderes war. Ich erinnere mich, wie ich zu meinen Begleitern, Dani und dir, sagte: „Wir können nach Hause gehen, das war’s für heute.“ Obwohl ich oft kritisch mit meinen eigenen Arbeiten bin, war mir in diesem Moment klar: Dieses Bild war gut, richtig gut.

    Es war ein Moment, in dem sich Raum und Zeit auf eine Weise vereinten, die man nicht planen kann. Anders als bei Szenen, in denen man ahnt, was passieren könnte, war dies ein purer Zufall. Doch die Herausforderung und die Kunst bestehen darin, genau dann bereit zu sein und das Bild festzuhalten. In Sekundenbruchteilen musste alles stimmen – der Bildschnitt, der Fokus, das Licht – und das passiert nur durch ständiges Übung und Intuition.

    Was dieses Bild für mich so spannend macht, ist die Art des Storytellings. Es ist mehr als nur ästhetisch ansprechend; es erzählt eine Geschichte, die zum Nachdenken anregt. Der Mann und das Bild von Che Guevara in der Plastiktüte – symbolisch und vielschichtig. Es bleibt Raum für Interpretation: Trägt der Mann Che Guevara achtlos zur Müllecke? Was bedeutet das für die heutige Wahrnehmung dieser Ikone in Kuba, wo die Revolution und ihre Symbole allmählich verblassen?

    Der dramatische Lichteffekt mit dem Rimlight und die Schatten, die das Gesicht des Mannes im Dunkeln lassen, betonen das Wesentliche: die Tüte und Che Guevara. Es lenkt nicht ab, sondern führt den Blick direkt zu dem, was zählt. Der Oldtimer im Hintergrund und die bröckelnde Fassade geben dem Bild den unverkennbaren Kontext von Havanna. Ein Bild, das zeigt, wie sich Planung und Glück in der Street Photography zu einem entscheidenden Moment vereinen können – genau das, was Cartier-Bresson so treffend beschrieben hat.

    Es ist nicht einfach ein weiteres Klischee-Bild von Che Guevara an einer Wand, wie man sie in Havanna zuhauf sieht. Vielmehr zeigt es ihn auf eine Weise, die frisch und unerwartet ist. Ein symbolisches Porträt einer Stadt und ihrer Geschichte, das vielleicht ein bisschen von der Müdigkeit erzählt, die die Revolution und ihre Symbole heute umgibt.

    Dieses Bild ist ein Beispiel dafür, wie Street Photography funktioniert: Immer bereit sein, übung, ein Auge für Komposition und das richtige Timing – aber auch das Glück, dass die Dinge genau im richtigen Moment zusammenkommen. Ein Bild, auf das ich stolz bin, weil es ästhetisch ist, aber vor allem, weil es eine Geschichte erzählt.”

Kai: “Die Geschichte hinter dem Bild”

  • Kai Behrmann: Das Bild, um das es hier geht, ist an einer meiner Lieblingsstellen in Havanna entstanden, genauer gesagt an der Neptunostraße. Wer schon einmal dort war, kennt diese lange Straße, die sich von Vedado bis zum Prado zieht, wo die luxuriösen Hotels das Zentrum von Havanna markieren. Die Stelle, an der dieses Bild entstand, ist besonders, weil dort mehrere Straßen aufeinandertreffen, und es ist ein quirliger Treffpunkt, an dem Fahrradtaxis oft auf Kundschaft warten. Die Betreiber ruhen sich aus und die Szene selbst wirkt lebendig und facettenreich.

    Ich erinnere mich, wie ich dort stand und die Szene beobachtete, wie die Sonnenstrahlen der späten Nachmittagsstunde diese Straße in ein dramatisches Licht tauchten. Diese Lichtspiele sind ein Geschenk für Fotografen, und Havanna bietet davon unendlich viele. Die Herausforderung bestand darin, diese vielschichtige Komposition festzuhalten. In diesem Moment sah ich das Oldtimer-Auto, das statisch in der Szenerie stand – ein schwarzes Interieur, angeschnittenes Lenkrad, Fahrer- und hinteres Seitenfenster. Es wurde zu meinem Rahmen, durch den ich die Szene inszenierte.

    Durch diese Fenster waren zwei Fahrradtaxis zu sehen. Der eine Fahrer, mit einer roten Kappe, entspannte sich und spielte auf seinem Handy, der andere ruhte in einer gelösten Pose, fast schon hingegossen, und genoss seine Pause. Diese beiden Figuren erzählen von der Alltagsroutine und der Gelassenheit, die in den Straßen Havannas allgegenwärtig ist. Die Fenster des Oldtimers boten mir eine natürliche Rahmung für diese Momentaufnahme, gleichzeitig spiegelte sich die Fassade hinter mir in der Autoscheibe: ein ehemals prächtiges Kolonialgebäude mit einer bunt bemalten unteren Etage und einer opulenten oberen Etage mit kunstvollen Bögen – typisch für Havanna.

    Es war kein einfacher Moment, diese Schichten zu vereinen. Das Bild fordert den Betrachter heraus, sich Zeit zu nehmen, um all diese Elemente zu entdecken. Auf Plattformen wie Instagram würde es kaum Beachtung finden, da es nicht für den schnellen Konsum geeignet ist. Vielmehr sollte man es großformatig, gedruckt an der Wand oder in einem Fotobuch betrachten, um seine ganze Wirkung zu entfalten.

    Interessant ist auch, dass der leere Fahrersitz des Oldtimers eine eigene Geschichte erzählt. Für mich war es primär ein stärkendes Gestaltungselement, das Ruhe in die Komposition brachte. Doch Betrachter könnten hier mehr hineinlesen – vielleicht den Hinweis auf die Abwanderung junger Menschen aus Kuba, die ihre Heimat verlassen und damit eine Leere hinterlassen. Diese Interpretationsmöglichkeiten sind für mich das Spannende an solchen Bildern. Sie laden dazu ein, über das Offensichtliche hinauszudenken und eigene Schlüsse zu ziehen.

    Es gibt noch weitere Details, die von der kubanischen Realität erzählen: der Benzinmangel, der viele Fahrzeuge in der Bewegung einschränkt, während Fahrradtaxis die flexibleren Transportmittel sind. Ein Anflug von Stillstand überzieht die Szene, verstärkt durch die ruhenden Fahrer und das unbewegte Auto. Fast ironisch ist, dass ein Che-Guevara-Wandbild, das diesem Bild noch mehr Symbolkraft gegeben hätte, von einem blauen Gefährt verdeckt wird – ein kleiner Zufall, der den Moment einzigartig machte.

    Diese Art von Bild erfordert Geduld. Manchmal muss man einfach warten, bis sich die Szene fügt. Und auch wenn ich bestimmte Elemente beeinflussen konnte, brauchte ich das Glück, dass die richtige Person vorbeikam und den letzten Schliff an die Geschichte brachte. Am Ende wollte ich eine Momentaufnahme einfangen, die den Geist der kubanischen Straßen einfängt – lebendig, erzählerisch und komplex, bereit, den Betrachter auf eine Entdeckungsreise zu schicken.

  • Kai Behrmann: “Als ich an diesem Nachmittag durch die Straßen von Havanna streifte, war es genau diese Lichttasche, die mich stoppte und mein Interesse weckte. Die Sonne stand tief, es war später Nachmittag, und ihr warmes Licht durchbrach die schmalen Gassen und tauchte die Szene in ein intensives, goldenes Glühen. Solche Lichtspiele faszinieren mich immer wieder, denn sie schaffen Momente voller Tiefe und Charakter.

    Die erste Wahrnehmung war der Mann in der olivgrünen, abgetragenen Hose, der auf einem Holzschemel saß. Seine rote Mütze war ein Farbtupfer, der sich sofort in meine Vorstellung einbrannte. Er bearbeitete etwas mit seinen Händen, sein Oberkörper war nackt, und die Sonne, die von hinten in die Szene strahlte, zeichnete scharfe Schattenlinien auf den Asphalt. Es war dieser Kontrast aus Licht und Schatten, der die Atmosphäre verdichtete.

    Während ich mich der Szene annäherte, fiel mir der Motorroller im Vordergrund ins Auge, der mit seinem großen Rückspiegel noch eine weitere Ebene schuf. Diese Kombination aus Motivebenen schien wie eine Einladung, die Geschichte dahinter zu entdecken. Der Mann, der an der Ecke lehnte und zu dem sitzenden Mann hinüberschaute, war das entscheidende Element, das das Bild von einer simplen Momentaufnahme in eine vielschichtige Erzählung verwandelte. Er brachte Spannung und eine subtile Verbindung zwischen den Figuren.

    Ich machte zunächst eine Aufnahme des Mannes allein in der Lichttasche, denn er war bereits ein starkes Motiv. Doch beim Rückschritt erkannte ich, dass der Motorroller und die Muster der Schatten auf dem Gehweg eine faszinierende grafische Komponente hinzufügten. Es entstand eine räumliche Tiefe, die dem Bild eine mehrschichtige Dimension verlieh. Der Blick des Mannes an der Hausecke, halb im Schatten, rundete die Szene ab und verband die Ebenen zu einem kohärenten Ganzen.

    Diese Lichttaschen sind für mich nicht nur ein rein technisches Spiel mit Beleuchtung. Sie sind ein Werkzeug, um ein Bild zu komponieren, das über die bloße Ästhetik hinausgeht. Im Workshop lehre ich oft, wie man die physikalischen Eigenschaften der Lichttaschen versteht und sie kontrolliert. Doch wahre Meisterschaft zeigt sich darin, wie man diese Technik in den Dienst einer Geschichte stellt. Ein Bild sollte mehr erzählen, als nur Licht und Schatten zu zeigen; es sollte den Betrachter in die Szene hineinziehen und eine Geschichte zum Leben erwecken.

    Die Erkenntnis, dass es mehr braucht als die bloße Technik, kam auch hier zum Tragen. Der erste Schritt war, die Lichttasche zu bemerken, der nächste war, sie zu meistern, und der entscheidende Schritt schließlich, eine Geschichte zu erzählen, die über das Spiel mit Licht hinausgeht. Dieses Bild ist für mich ein Beispiel dafür, wie die Zusammenführung verschiedener Elemente und Perspektiven ein vielschichtiges Ganzes schaffen kann.”

  • Kai Behrmann: “Als ich das Bild aufnahm, war ich mitten in einer jener Straßenszenen, die mich immer wieder faszinieren, wenn ich in Havanna unterwegs bin.

    Es war nicht im Herzen des touristischen Zentrums, sondern etwas weiter entfernt, in einer Gegend, wo das Leben einen anderen, vielleicht etwas realistischeren Takt hat.

    Die Straße war breit, so breit, dass ich mir kaum vorstellen konnte, wie viele Autos hier nebeneinander fahren könnten. Aber an diesem Abend war es ruhig. Die Sonne, in warmes Abendlicht getaucht, senkte sich am Horizont hinter der Straße, und dieses Licht verlieh der Szene eine besondere Atmosphäre.

    Im Vordergrund stand ein Fahrradtaxi, der Fahrer saß nachdenklich darin, die Müdigkeit oder vielleicht die Schwere des Alltags im Blick.

    Eine Frau ging langsam die Straße entlang, den Kopf leicht gesenkt, als trüge auch sie diese spürbare Last.

    Das Bild hatte etwas Melancholisches.

    Obwohl das Licht golden war und die Architektur mit ihren imposanten Säulengängen und Gebäuden faszinierend wirkte, spürte ich, dass etwas fehlte: die einst so präsente Leichtigkeit, die ich von früheren Besuchen in Havanna in Erinnerung hatte.

    Als Fotograf habe ich immer versucht, nicht nur die Oberfläche festzuhalten, sondern die Geschichten, die sich darunter verbergen.

    2014, als ich das erste Mal hier war, war diese Straße noch voller, lebendiger. Doch jetzt, 2023, schien etwas gewichen zu sein.

    Die Menschen wirkten zurückhaltender, weniger sorglos. Diese Melancholie, diese stille Resignation schwang in dem Bild mit. Es war ein Bild von Kuba, das nicht nur die Sonne, den Glanz und die bunten Gebäude zeigte, sondern auch die Herausforderungen und die Resilienz seiner Menschen.

    Der Spruch auf dem Fahrradtaxi fängt genau diese Mentalität ein. „No me caigas atrás, que te fundo.“ Eine Warnung, ein Ausdruck von Selbstbehauptung. „Fahr mir nicht auf, sonst bekommst du es mit mir zu tun.“

    Es ist ein typischer kubanischer Satz, voller Stolz und leichtem Humor. Dani, ein Freund, erklärte mir, dass es sinngemäß bedeutet, sich nicht auf Konflikte einzulassen, weil man gegen den Fahrer verlieren würde.

    Es ist eine kleine, aber kraftvolle Erinnerung an den kubanischen Geist: Widerstandsfähigkeit, Stolz und eine Prise Witz, selbst in schwierigen Zeiten.

    Diese Szene, dieser Moment, eingefangen im goldenen Licht und durchzogen von stiller Melancholie, erzählt mehr als die bloße Abbildung einer Straßenecke.

    Sie spricht von Wandel, von Herausforderungen und von der unerschütterlichen Seele der Menschen, die weiterhin durch den Alltag navigieren, immer auf der Suche nach Licht und Hoffnung.”

Fotofleißaufgaben

In dieser Artikel-Serie gibt es einmal pro Monat eine kleine Aufgabe oder inspirierenden Gedanken, der dir dabei hilft, deine Fähigkeiten als Streetfotograf zu schärfen und weiterzuentwickeln.

Kai Behrmann

Hallo, ich bin Kai. Fotografie bedeutet für mich erleben. Es geht nicht nur um das Einfrieren eines Moments, sondern darum, ihn zunächst aktiv zu spüren. Und zwar mit allen Sinnen. Erst dann kommt die Kamera ins Spiel.

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