Hast du dir schon einmal die folgende Frage gestellt: Würdest du auch fotografieren, wenn du deine Bilder nie sehen würdest? Diese Frage kam auf, als Thomas und ich neulich eine Podcast-Episode über Vivian Maier aufgenommen haben. Als sie starb, hinterließ sie Hunderte von unentwickelten Filmrollen. Ein guter Anlass, um über die Bedeutung und das Verhältnis von Prozess und Ergebnis nachzudenken.

Viel Freude mit diesem Beitrag aus der Serie “Foto-Fleißaufgabe”, in der wir dir regelmäßig Impulse und fotografische Trainingsübungen geben.

“Ich habe noch nie ein Foto gemacht, wie ich es beabsichtigt hatte. Sie sind immer schlechter oder besser.” Diane Arbus

Zu hohe Erwartungen können kontraproduktiv sein. Wenn du mit der Kamera losziehst und dir zum Ziel setzt, an diesem Tag mit fünf Bildern für dein Portfolio zurückzukommen, setzt du dich extrem unter Druck. Mit dieser Einstellung ist es unwahrscheinlich, dass du in den Flow kommst, der dich zu wirklich außergewöhnlichen Bildern bringt.

Versuche es stattdessen anders: Konzentriere dich auf den Prozess - ohne über Ziele und gewünschte Ergebnisse nachzudenken. Gib dich ganz dem Moment hin, tauche ein in deine Umgebung und nimm die Stimmung mit allen Sinnen auf. Fotografiere intuitiv alles, was dir ins Auge fällt. Die Komposition ist zunächst zweitrangig.

Analysiere die Bilder zu Hause nach Motiven. Versuche herauszufinden, was deine “Auslöser” sind - was dich anspricht. Wenn du das über einen längeren Zeitraum machst, wirst du deine Interessen immer klarer erkennen. Und kannst dann auch bewusster an die Komposition herangehen.

Deine Leidenschaft wird dich früher oder später automatisch zu besseren Bildern führen.

So war es auch bei Vivian Maier.

Ob sie sich zu Lebzeiten insgeheim gewünscht hat, eine berühmte Fotografin zu sein, deren Bilder in Museen hängen, wissen wir nicht. Anzeichen dafür gibt es nicht.

Sie war für ihre Unabhängigkeit und ihr zurückgezogenes Leben bekannt. Das Fotografieren könnte für sie eine Möglichkeit gewesen sein, sich frei und autonom zu fühlen, ohne auf die Anerkennung oder Bestätigung anderer angewiesen zu sein. Sie konnte ihre kreative Vision ohne Einschränkungen oder Erwartungen umsetzen.

Alles deutet darauf hin, dass es ihr genügt hat, auf den Auslöser ihrer Kamera zu drücken. Die Bilder hat sie niemandem gezeigt. Viele hat sie nicht einmal selbst gesehen.

Mit dieser Vorgehensweise hat sie ein bemerkenswertes Werk geschaffen. Heute zählt sie zu den ganz Großen der Street Photography. Kreativität und Qualität entstehen im Prozess – und lassen sich nicht am Reißbrett planen oder unter Druck produzieren.

Aufgabe

Probiere diesen prozessorientierten Ansatz in deiner Fotografie aus. Das heißt nicht, dass du dir keine ehrgeizigen Ziele setzen solltest. Hoffentlich bekommst du zu Lebzeiten Lob und Aufmerksamkeit für deine Bilder. Aber fotografiere zunächst für dich selbst - ohne Erwartungen an das Feedback. Wenn deine Leidenschaft so groß ist, dass du etwas tust, ohne dass es jemals jemand sieht, wirst du immer stolz und glücklich sein können. Alles andere ist schön, liegt aber außerhalb dessen, was du direkt beeinflussen kannst.

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