
Lange Zeit war für mich klar: Meine Straßenfotografie findet in Farbe statt. Farbe bringt Lebendigkeit, transportiert Stimmungen und gibt meinen Bildern eine eigene Handschrift. Doch ein Workshop auf Kuba im Dezember 2025 brachte mich ins Grübeln. Ich traf Fotografen, die konsequent in Schwarz-Weiß arbeiteten und dies nicht nur ästhetisch, sondern auch inhaltlich begründeten. Ihre Bilder erzählten Geschichten, die ich in meiner eigenen Arbeit so nicht sah.
Diese Begegnung brachte mich dazu, meine fotografischen Überzeugungen zu hinterfragen.
Ist Farbe manchmal nur eine oberflächliche Zutat?
Kann sie sogar den Blick auf das Wesentliche verstellen?
Und wie oft sind wir in unserer fotografischen Arbeit durch starre Regeln eingeschränkt, die wir uns selbst auferlegt haben?
In diesem Artikel möchte ich meine Gedanken zu diesem Thema mit dir teilen und dich einladen, deine eigenen fotografischen Glaubenssätze zu überprüfen.
Warum fotografische Überzeugungen helfen
Glaubenssätze oder kreative Prinzipien geben uns Struktur.
Sie helfen uns, einen eigenen Stil zu entwickeln und bewahren uns davor, uns in der Beliebigkeit zu verlieren.
Gerade in der Streetfotografie, wo so viele Eindrücke auf einen einprasseln, kann ein klares Konzept helfen, den Fokus zu behalten.
Farbe war lange Zeit mein roter Faden.
Ich suchte gezielt nach Farbkontrasten, nach Stimmungen, die durch Farben verstärkt wurden.
Diese Arbeitsweise gab mir Orientierung und half mir, meine Bilder bewusster zu komponieren.
Solche fotografischen Prinzipien sind wertvoll, weil sie uns zwingen, Entscheidungen zu treffen.
Wer sich bewusst für eine bestimmte Herangehensweise entscheidet, entwickelt mit der Zeit eine unverwechselbare Bildsprache.
Aber genau darin liegt auch die Gefahr.
Wenn Überzeugungen zur Einschränkung werden
Eine festgelegte fotografische Herangehensweise kann schnell zur Scheuklappe werden.
Als ich mich während meiner vergangenen Reise nach Kuba intensiver mit Schwarz-Weiß-Fotografen austauschte, merkte ich, wie sehr ich durch meine Fixierung auf Farbe bestimmte Motive gar nicht wahrgenommen hatte.
Sie sprachen von Licht und Schatten, von Strukturen, von Formen. Dinge, die ich zwar gesehen, aber nie wirklich in den Mittelpunkt gestellt hatte.
Die Frage, die sich mir stellte:
Hat meine Konzentration auf die Farbe meine Wahrnehmung eingeschränkt?
Habe ich manchmal die emotionale Tiefe einer Szene durch farbige Oberflächen überdeckt?
Tatsächlich gibt es Farbkompositionen, die ein Bild harmonisch oder spektakulär erscheinen lassen - aber gleichzeitig vom eigentlichen Moment ablenken.
Schwarzweiß zwingt den Fotografen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: Licht, Komposition, Ausdruck.
Farbe als Ablenkung? Oder bewusste Entscheidung?
Das heißt nicht, dass Farbe immer oberflächlich ist.
Es kommt darauf an, wie wir sie einsetzen.
Ein stimmiger Farbkontrast kann eine Szene verstärken, eine bestimmte Stimmung vermitteln oder eine Botschaft unterstreichen.
Er kann aber auch den Blick auf unwichtige Details lenken und die inhaltliche Tiefe eines Fotos beeinträchtigen.
Die entscheidende Frage ist: Setze ich Farbe bewusst ein oder lasse ich mich durch sie unbeabsichtigt zu oberflächlichen Motiven hinreißen?
Seit Kuba experimentiere ich mehr mit Schwarzweiß.
Das hat mein Sehen verändert. Ich achte mehr auf Strukturen, auf den Moment, auf die Intensität eines Gesichtsausdrucks.
Gleichzeitig weiß ich jetzt besser, wann Farbe der richtige Weg ist.
Das ist der Unterschied: Ich entscheide jetzt bewusster.
Fazit: Bewusste Entscheidungen statt starrer Regeln
Überzeugungen können helfen, unseren Stil zu definieren.
Wir sollten uns aber regelmäßig fragen, ob sie uns noch dienen oder uns einschränken.
Mein eigener Wechsel von "nur Farbe" zu "mal Farbe, mal Schwarzweiß" hat mir gezeigt, dass es keine universell richtige Entscheidung gibt.
Es geht darum, für jede Szene die beste Bildsprache zu finden.
Aufgabe
Was sind deine fotografischen Überzeugungen? Gibt es Regeln und Glaubenssätze, nach denen du arbeitest, die du in Frage stellen könntest?
Probiere bewusst das Gegenteil von dem aus, was du gewohnt bist:
Wenn du bisher kaum in Schwarzweiß fotografiert hast, probiere es aus. Und umgekehrt.
Fotografierst du immer mit viel Schärfentiefe? Probiere mal extreme Unschärfe.
Magst du klare Bildkompositionen? Probiere Chaos und Zufall aus.
Sei offen für neue Sichtweisen - vielleicht entdeckst du dadurch eine neue Facette deiner Fotografie.
Die Ergbenisse dieser Aufgabe besprechen wir am Dienstag, 25. Februar 2025 (19.30 Uhr) bei Zoom.
Alle Informationen zur Teilnahme und dem Upload deiner Bilder.
Du möchtest Feedback zu deinen Street-Bildern?
Mit den Teilnehmer:innen der Visual Storytelling Akademie von “Abenteuer Reportagefotografie” veranstalten wir regelmäßige Bildbesprechungen bei Zoom.
Dabei bekommst du konstruktives Feedback zu deinen eingereichten Street-Bildern und lernst aus den Diskussionen mit den anderen.